Soziale Sicherung trotz Rekordbeschäftigung unter Druck!

Soziale Sicherung trotz Rekordbeschäftigung unter Druck!

Sarna Röser, Kolumne FOCUS MONEY, Januar 2023

Mit 45,6 Millionen Beschäftigten hatte das Jahr 2022 so viele Erwerbstätige wie noch nie! Die Arbeitslosenquote lag bei nur 5,3 Prozent. Eine positive Bilanz! Vor allem die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ist mit 34,5 Millionen auf einem Spitzenniveau. Wie kann es da sein, dass unsere Sozialversicherungen – trotz so vieler Beitragszahler wie noch nie – in die roten Zahlen abrutschen und sogar subventioniert werden müssen?

Die Bundesregierung – und allen voran Sozial- und Arbeitsminister Heil – verschließt sich gegen die Realitäten:
Erstens, die absehbare demografische Entwicklung: In den nächsten Jahren werden immer weniger Menschen in die Sozialkassen einzahlen, während immer mehr Menschen Beiträge beziehen. Die Finanzierung der sozialen Absicherung wird zum Drahtseilakt. Schon jetzt ist klar, dass wir zukünftig pro Jahr deutlich über eine Million neue Rentner haben werden. Das bedeutet, dass ab dem Jahr 2050 nahezu ein Arbeitnehmer einen Rentner finanzieren muss! Aktuell kommen noch drei Arbeitnehmer für einen Rentner auf. Und trotzdem reichen bereits heute in allen wichtigen Sozialzweigen die Beiträge allein nicht mehr aus, um diese zu finanzieren. Die Konsequenz ist, dass immer höhere Steuerzuschüsse nötig sind. Allein in die gesetzliche Rente fließen pro Jahr über 100 Milliarden Euro aus dem Bundeshauhalt. 
Zweitens: Die deutsche Sozialpolitik wurde über die Jahre – von Wahlversprechen zu Wahlversprechen – völlig von der demografischen Realität in unserem Land abgekoppelt. Statt den Fokus auf die Menschen zu legen, die wirklich bedürftig sind, wurden die sozialen Leistungen nicht nur ausgeweitet, sondern regelrecht mit der Gießkanne verteilt und Mitnahmeeffekte provoziert. Beste Beispiele hierfür sind die abschlagfreie Rente mit 63, aber auch die Grundrente. Zudem wurden massiv Leistungen im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherungen ausgebaut. Bei der Pflegeversicherung befinden wir uns sogar auf dem Weg zur Vollkasko-Versicherung, obwohl dies nie so angedacht war. Ein langfristig finanzierbares Konzept für die soziale Absicherung sieht anders aus! Lediglich beim neuen Bürgergeld konnte die Union zuletzt verhindern, dass dem Nachfolgemodell von Hartz IV jeglicher Arbeitsanreiz abhandenkommt. Die Bundesregierung musste bei den Sanktionen und beim Schonvermögen nachsteuern. 
Drittens hat die Pandemie die finanzielle Not bei den Sozialversicherungen noch einmal verschärft hat. Weniger, weil Arbeitnehmer arbeitslos wurden, sondern vielmehr, weil vor allem im Jahr 2020 viele Arbeitnehmer in die Kurzarbeit gehen mussten und Beitragseinnahmen wegbrachen. Gleichzeitig wurde mit viel Geld versucht, Beschäftigung zu erhalten. Allein der erleichterte Bezug von Kurzarbeitergeld und die Übernahme der Sozialversicherungsbeiträge hat die Kassen der Arbeitslosenversicherung leer gefegt. So richtig wie die finanzielle Unterstützung in den Pandemiejahren 2020 und 2021 war, so falsch ist es, sie dauerhaft als Kriseninstrument einzusetzen. Mittlerweile sind wir mit den aktuell rund 430.000 Kurzarbeitern weit entfernt von den sechs Millionen Kurzarbeitern aus dem Frühjahr 2020. Insofern wäre es angebracht, die Regelungen zum Kurzarbeitergeld auf den Ursprungszustand zurückzuführen. Zumal jene, die in den jetzigen Zeiten arbeitslos werden, gute Chancen haben, rasch wieder in Beschäftigung zu kommen. Wir haben mit rund zwei Millionen offenen Stellen einen akuten Arbeitskräftemangel. Der Arbeitsmarkt ist also entsprechend aufnahmefähig. 
Viertens bewegt sich Deutschland immer mehr in Richtung XXL-Verwaltungsstaat. Das ist mit Blick auf die künftigen Belastungen ein massives Problem. Denn in den kommenden zehn Jahren gehen 30 Prozent aller 1,7 Millionen Beamten in den Ruhestand, in den kommenden 20 Jahren sind es 63 Prozent! Die Beamtenpensionen kommen uns Steuerzahlern teuer zu stehen. 

Fakt ist, dass die Finanzierung der Sozialversicherungen für die nächsten Dekaden überhaupt nicht gesichert ist. Darüber ist sich zum Glück auch die überwiegende Mehrheit der Sozialexperten einig. Aktuelle Prognosen sagen bis zum Jahr 2030 einen Anstieg der Sozialversicherungsbeiträge insgesamt auf 45 bis zu gar 50 Prozent voraus. Für Arbeitnehmer bleibt damit immer weniger netto vom brutto übrig. Für Arbeitgeber wird Beschäftigung immer teurer, was wiederum Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigt. Zudem werden die Steuerzuschüsse weiter ansteigen. Studien prognostizieren, dass im Jahr 2060 mehr als die Hälfte des Bundeshaushaltes für die soziale Absicherung aufgewendet werden muss. Heute ist es knapp ein Drittel.
Wie soll all das finanziert werden, wenn auch noch Geld für Zukunftsinvestitionen ausgegeben werden soll? Etwa für Bildung, Infrastruktur, Digitalisierung und Klimaschutz. Der Generationenvertrag der Rente ist längst aufgekündigt. Der Fehler im System wird zwar vielfach analysiert und vorgetragen, doch von der Bundesregierung ignoriert. Zugespitzt: Mit vollem Karacho fährt die Bundesregierung mit ihrer Sozialpolitik auf die demografische Wand zu und traut sich nicht, die rettende Handbremse zu ziehen. Frei nach dem Motto: Lieber Totalschaden zulasten der jungen Generation, als endlich Tacheles zu sprechen?! 
Die Bundesregierung sollte die Augen nicht vor der Realität verschließen, sondern vorausschauend – und auch im Interesse der künftigen Generationen – handeln. Zudem sollte sie auch ihre Ü-60-Wähler nicht immer weiter im Glauben lassen, dass die Rente sicher ist! Das ist sie schon lange nicht mehr.
Noch mehr Staatsschulden für Rente und Beamtenpensionen können nicht die Antwort sein. Noch höhere Steuern auch nicht, denn Deutschland greift von allen OECD-Ländern seinen Bürgern schon jetzt am heftigsten in die Taschen.


 
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