Fachkräftestrategie der Bundesregierung – Mehr verpasst als geschafft!

Fachkräftestrategie der Bundesregierung – Mehr verpasst als geschafft!

Sarna Röser, Kolumne FOCUS MONEY, Oktober 2022

Deutschland hat ein enormes Arbeits- und Fachkräfteproblem. Über 1,7 Millionen Stellen sind unbesetzt. Geht es nach Prognosen der Bundesagentur für Arbeit wird die Arbeitskräftelücke im Jahr 2040 bei 8,7 Millionen liegen. Die Zahlen zeigen deutlich: So kann es nicht weitergehen!

Der Fachkräftemangel gehört zu den größten Sorgen in Familienunternehmen. Mehr als Drei Viertel der Familienunternehmer leiden unter dem Fachkräftemangel. Das bestätigte zuletzt eine Umfrage im Verband DIE FAMILIENUNTERNEHMER und DIE JUNGEN UNTERNEHMER.
Wir Unternehmer fordern seit Monaten vom Arbeitsministerium, aber auch vom Wirtschaftsministerium, dieses Problem anzugehen. Es gibt verschiedene Lösungsmöglichkeiten – doch umgesetzt werden bislang kaum welche. Mit der neuen Fachkräftestrategie der Bundesregierung soll nun Abhilfe geschaffen werden. Schaut man sich die Inhalte näher an, wird jedoch schnell klar: Die Strategie greift zu kurz.
Aufatmen lässt einen zunächst die Entscheidung des Bundeskabinetts für ein „Punktesystem“ bei der Fachkräftezuwanderung. Damit ermöglicht die Bundesregierung eine transparentere und gesteuerte Fachkräftezuwanderung. Zum Beispiel soll es Punkte für vorhandene Qualifikationen oder Sprachkenntnisse für jene geben, die in Deutschland arbeiten möchten. Je mehr Punkte jemand vorweisen kann, desto leichter ist der Zugang zu unserem Arbeitsmarkt. 
Davon abgesehen, bleibt die Bundesregierung bei der Bekämpfung des akuten Fachkräftemangels hinter ihren Möglichkeiten zurück. Die Fachkräftezuwanderung einerseits und die Aus- und Weiterbildung andererseits in den Fokus zu nehmen ist zwar richtig, aber auch nicht alles. Insbesondere Arbeitsminister Heil ist in der Pflicht! Insbesondere drei wesentliche Schritte sind überfällig:
Erstens stellt sich die Frage nach einer besseren Kinderbetreuungsinfrastruktur zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf drängender denn je. Besonders Frauen sind hiervon betroffen. Zwar steht Deutschland im OECD-Vergleich mit Blick auf die Erwerbstätigkeit von Frauen ganz gut da. Über 70 Prozent der erwerbsfähigen Frauen in Deutschland sind laut statistischem Bundesamt erwerbstätig. Andererseits arbeitet in Deutschland fast jede zweite Frau in Teilzeit. Um auch Vollzeit-Modelle zu ermöglichen, muss der Staat dringend nachbessern. Es fehlt an verfügbaren Kinderbetreuungsstrukturen. Beispielsweise fehlen laut dem Institut der deutschen Wirtschaft bundesweit rund 350.000 U3-Kitaplätze und 650.000 Ganztagsschulplätze. Wie lange soll das noch so weitergehen?
Zweitens wird die Integration von Älteren in den Arbeitsmarkt offenbar weiterhin vernachlässigt. Statt Anreize für den Arbeitsmarkt zu schaffen, wird der Einstieg in die frühe Rente erleichtert. Stichwort: Rente mit 63. Seit deren Einführung im Jahr 2014 gehen jedes Jahr mehr als 250.000 erfahrene Arbeitskräfte vorzeitig in den Ruhestand. Fatal! Was wir brauchen sind keine Frühverrentungsprogramme. Wir brauchen einen klaren Blick auf die Realität. Bei einer immer älter werdenden Gesellschaft darf die Verlängerung der Lebensarbeitszeit kein Tabu mehr sein. Das   Renteneintrittsalter sollte an die Lebenserwartung gekoppelt werden. Alles andere ist angesichts der demografischen Entwicklung in unserem Land nicht zeitgemäß!
Drittens warten wir noch immer auf eine bessere Integration von Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt. Mit dem SPD-Prestigeprojektes des Bürgergeldes gehen wir definitiv in die falsche Richtung! Und auch die Grünen freuen sich über die quasi-Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens. Denn wir verabschieden uns vom Prinzip des Förderns und Forderns. Höherer Regelsatz, nachlässigere Sanktionen, und die Aussetzung der Vermögensprüfung – damit wird Arbeitslosigkeit verwaltet, statt Anreize zur Arbeitsaufnahme zu setzen. Das Bürgergeld bedeutet eine massive Ausweitung staatlicher Leistungen bei massiver Einschränkung der Eigenverantwortung. Dabei lebt der Sozialstaat von einer prosperierenden Wirtschaft einerseits und der Akzeptanz der Solidargemeinschaft andererseits. Im Angesicht des akuten Arbeitskräftemangels der Wirtschaft, aber auch der anderen aktuell schwerwiegenden Herausforderungen können wir uns eine derartige Überdehnung des Sozialstaates nicht mehr leisten.
Liebe Bundesregierung, bitte macht endlich die Augen auf. Die Fachkräftestrategie muss dringend nachgebessert werden. Arbeitsminister Heil, liefern Sie nach!


 
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